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NRW: Unterschriftenliste "Keine Rückzahlung der Coronahilfe" übergeben

Ministerin Neubauer nahm die Unterschriftenübergabe aufmerksam entgegen.

Kathy Ziegler, die ver.di Vertreterin die sich der Sache angenommen hat informierte:

 

"Ich danke allen,
 - die mein Anliegen mit ihrer Unterschrift unterstützt haben,
 - die die Petition in ihren Netzwerken verbreitet haben,
 - die mich bei der Übergabe begleitet haben.

Ohne diese Unterstützung wäre das alles nicht möglich gewesen.
Wie geht es weiter?
Ministerin Neubaur hat meine Schilderungen der Lage der Solo-Sebstständigen und der damit verbundenen Forderung, die Rückzahlung der Corona-Soforthilfe aufzuheben, genau angehört. Wir haben vereinbart, weiter im Gespräch zu bleiben. Aber eine konkrete Umsetzung unserer Petition hat sie nicht zugesagt. Also müssen wir den Druck aufrecht halten. Meine Bitte: Teilt deshalb die Forderung unserer Petition noch einmal in den sozialen Medien:

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Viele Grüße
Kathy Ziegler"

Sehr geehrte Frau Neubaur,
die Landesregierung soll die Rückzahlungsforderung der Corona-Soforthilfen stoppen und bereits rücküberwiesene Summen von berechtigten Empfänger*innen erstatten.
Die Corona-Soforthilfe NRW 2020 war als schnelle Hilfe für Unternehmen und Selbstständige gedacht. Auch Solo-Selbständige, die keine Mitarbeitenden beschäftigen, sollten unbürokratische finanzielle Hilfe zur Absicherung gegen pandemiebedingte Einkommensausfälle erhalten. Am 23. März 2020 erklärte der damalige Bundesfinanzminister Olaf Scholz: "Wir gehen in die Vollen, um auch den Kleinstunternehmen und Solo-Selbständigen unter die Arme zu greifen. Sie brauchen unsere besondere Unterstützung, sie werden von dieser Krise hart getroffen. Deshalb gibt es vom Bund jetzt schnell und unbürokratisch Soforthilfe. Ganz wichtig ist mir: Wir geben einen Zuschuss, es geht nicht um einen Kredit. Es muss also nichts zurückgezahlt werden. Damit erreichen wir die, die unsere Unterstützung jetzt dringend brauchen."
Die Länder sollten dann dafür sorgen, dass die Betroffenen schnell auf die bereitgestellten 50 Mrd Euro zugreifen können. Solo-Selbstständige zählten zu der Gruppe der Kleinstunternehmen mit bis zu fünf Mitarbeitenden. Sie sollten 9000 Euro als Einmalzahlung für die drei Monate März, April und Mai erhalten. Auf der entsprechenden Webseite des NRW-Wirtschaftsministeriums, wo die Soforthilfe beantragt werden konnte, hieß es, dass damit auch "das eigene Gehalt und damit der Lebensunterhalt" finanziert werden könne.
Viele Solo-Selbstständige haben unter dieser Annahme die Corona-Soforthilfe beantragt und erhalten. Mehrere 10.000 Personen sollen laut dem ehemaligen Staatssekretär im NRW-Wirtschaftsministeriums, Christoph Dammermann, den Zuschuss in den ersten Tagen beantragt haben. Das Land NRW hat unbürokratisch an alle Antragstellenden die maximale Summe, also die 9000 Euro, ausbezahlt. Doch in der Nacht zum 1. April verschwanden die alten Erklärungen auf der Website des Ministeriums und neue Kriterien waren aufgestellt. Plötzlich ging es um Betriebskosten, die später bei der Abrechnung nachgewiesen werden müssen, um die 9000 Euro in vollem Umfang behalten zu dürfen. Für die meisten Solo-Selbstständigen ein herber Schlag, denn häufig haben sie keine Betriebskosten – sie sind ihr Betrieb, bereiten sich in ihrer eigenen Wohnung auf Lehrveranstaltungen, Reportagen oder Ausstellungen vor und erfüllen ihre Aufträge in den Einrichtungen der Auftraggeber wie Museen oder Praxisräumen.
Aus der schnellen und unbürokratischen Hilfe wurde für Solo-Selbständigen ein Damoklesschwert. Wie sollten sie bei den anhaltenden Einkommenseinbrüchen die Soforthilfe zurückzahlen? Aber weitaus schlimmer: Wie sollten sie ihre Existenzgrundlage sichern ohne finanzielle Hilfe? Ihnen blieb nur die Grundsicherung, wenn überhaupt, denn Einkommen des Partners oder Partnerin oder eigene Ersparnisse werden gegengerechnet. Nur wer schon vor dem 1. April 2020 einen Förderantrag gestellt und keine Grundsicherung beantragt und erhalten hatte, dem gewährte das Land NRW im Nachhinein eine Teilsumme von 2000 Euro als "Unternehmerlohn" für den eigenen Lebensunterhalt.
Die Selbstständigen im ver.di-Landesbezirk NRW fordern, dass die neue NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubauer die bereits erteilten Rückforderungsbescheide zurücknimmt und die gezahlten Zuschüsse im Sinne der ursprünglichen Formulierung in voller Höhe für Lebenshaltungskosten berechtigten Solo-Selbstständigen gewährt.
Die Landesregierung soll die Rückzahlungsforderung der Corona-Soforthilfen stoppen und bereits rücküberwiesene Summen von berechtigten Empfänger*innen erstatten.

Warum ist das wichtig?

Diese Corona-Soforthilfe, die nicht für Lebenshaltungskosten verwendet werden durfte, zielte komplett an der Lebenswirklichkeit von Solo-Selbstständigen vorbei und war keine Hilfe. Die rund 430.000 Empfänger in NRW wurden von den zuständigen Regierungspräsidien angeschrieben, dass sie bis zum 31. Oktober 2021 penibel belegen sollten, in welcher Höhe ihre "Fixkosten" während des ersten Lockdowns von März bis Mai 2020 ihre Umsätze überschritten haben. Damit sollten sie ihren "Liquiditätsengpass" nachweisen. Alle, die kaum Betriebs- oder Fixkosten haben, wie das bei Solo-Selbstständige der Fall ist, können einen sollen Engpass nicht ausweisen. Sie müssen dann "den Rest" des gewährten Zuschusses bis spätestens 30. Juni 2023 zurückzuzahlen.
Von denjenigen, die eine solche Rückzahlungsforderung erhalten haben, klagen weniger als 1 Prozent gegen diesen Bescheid, sagt Christoph Dammermann, ehemaliger Staatssekretär im NRW-Wirtschaftsministerium. Schätzungsweise sind es 1500 bis 2000 Betroffene, die an NRW-Verwaltungsgerichten Klage eingereicht haben. Allein am Verwaltungsgericht Düsseldorf sind 500 Klagen anhängig. Um dieser Klageflut zu entgehen, will das Gericht am 16. August drei Fälle öffentlich verhandeln und daraus Musterentscheide ableiten. In Köln werden 5 Klagen am 16. September öffentlich verhandelt. Dort liegen mehr als 400 Klagen gegen die Schlussbescheide vor.
Der Armutsbericht 2022 des Paritätischen Wohlfahrtsverbands zeigt deutlich, dass Solo-Selbstständige die Verlierer der Krisenjahren 2020 und 2021 sind. Die Armut unter den Erwerbstätigen ist insgesamt gestiegen, am deutlichsten aber unter den Solo-Selbstständigen, heißt es in dem Bericht . "Mit 13,1 Prozent liegt die Armutsquote der Solo-Selbstständigen um 46 Prozent höher als in der Erhebung aus 2019, wo es noch 9 Prozent waren."
Und: "Jede* r Dritte erklärte, im Laufe der Pandemie seine Tätigkeiten reduziert zu haben. 40 Prozent von ihnen nannten betriebliche Gründe (Auftragsrückgänge u. ä.), zwei Drittel verwiesen auf gesetzliche Vorgaben im Zuge der Pandemiebekämpfung. Im Ergebnis musste mehr als jeder fünfte Selbständige, so die Forscher*innen, coronabedingt seine Arbeitszeit reduzieren."
Daraus folgt weiter: "Im Sommer 2021 klagten 44 Prozent aller Soloselbständigen über Einkommensverluste. Es fand eine auffällige Einkommensverschiebung nach unten statt. Der Anteil der Einkommensbezieher*innen von nur unter 1.500 Euro vergrößerte sich in der Pandemie (bis Juli 2021) bei den Soloselbständigen von 17 auf 23 Prozent."
Trotz diverser Hilfsprogramme für Selbständige, heißt es weiter, die sehr viele Menschen vor der Insolvenz oder Geschäftsaufgabe bewahrten, konnte nicht verhindert werden, dass die jeweiligen Einkommenseinbußen spätestens 2021 auch mit einer stärkeren Armutsbetroffenheit einhergingen. "Hierbei spielte insbesondere die Tatsache eine Rolle, dass Einkommensverluste vor allem jene Erwerbstätigen betrafen, die ohnehin über kein hohes Einkommen verfügten."
Der Bericht zeigt, dass Solo-Selbstständige teilweise ihrer Existenzgrundlage entzogen wurden, auf Grundsicherung angewiesen waren und dadurch kaum noch eigene Mitteln haben. Für einige ist ihre Erwerbsgrundlage dauerhaft weggebrochen oder sie können immer noch nicht an die Einkommen vor der Pandemie anknüpfen.
Die aktuelle wirtschaftliche Krise, ausgelöst durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine, verschärft diese ohnehin prekäre Situation, in der sich immer noch viele Solo-Selbstständige befinden, weiter. Sie haben schlicht keine Mittel, die Corona-Soforthilfe zurückzuzahlen. Stattdessen sind sie jetzt erneut auf Hilfen angewiesen, da eine strukturelle soziale Absicherung für Solo-Selbstständige in Deutschland immer noch nicht gibt.

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